Der FDP-Kreisvorsitzende Oliver Engels versteht die Aufregung nicht, die sich nach Guido Westerwelles Hartz-IV-Äußerungen entluden. Zudem ist die Kreis-FDP „einhellig der Meinung, dass Westerwelles Aussagen keinen Anlass zur Kritik bieten“.
Wir können nur sagen: Wir verstehen die Aufregung sehr gut, Herr Engels! Und wir kritisieren dies auch öffentlich:
Herr Westerwelle verhöhnt die Menschen, die (zum großen Teil unverschuldet) in Arbeitslosigkeit geraten sind. Er bringt Menschen mit geringem Einkommen gegen Arbeitslose in Stellung. Ist dies etwa nicht kritikwürdig, Herr Engels? Wie stehen die Liberalen im Kreis zu Guido Westerwelles Zitat, „wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein“?
Dekadenz bestand im spätrömischen Reich darin, dass die Reichen nach ihren Sauf- und Essgelagen sich in Eselsmilch gebadet haben und Kaiser Caligula einen Esel zum Konsul ernannte, während die unteren Schichten immer mehr verarmten. In Mayen-Koblenz gibt es über 6000 Bedarfsgemeinschaften, in denen Menschen leben, die auf Hilfe vom Staat angewiesen sind. Zu behaupten, ihnen sei anstrengungsloser Wohlstand versprochen worden, ist zynisch und fern jeder Realität.
Ist es nicht kritikwürdig, dass Herr Westerwelle das Urteil des höchsten Deutschen Gerichtes, des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) angreift, weil es „sozialistische Züge“ enthalte? Das BVerfG hat entschieden, dass die Hartz-IV-Normen, die die Regelleistung für Erwachsene und Kinder betreffen, gegen das Grundgesetz verstoßen, weil sie den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht erfüllen. Ob mit oder ohne Richterschelte: Herrn Westerwelle muss als Jurist klar sein, dass die Bundesregierung bei Ihrer Neuregelung bis zum 31. Dezember 2010 an das Urteil aus Karlsruhe gebunden ist. So sind seine Äußerungen reiner Populismus.
Wie steht die MYK-FDP zu Westerwelles Forderung nach einem Lohnabstandsgebot? Zwei Möglichkeiten sind hier nur denkbar: die - wohl verfassungswidrige - Senkung der Regelsätze von Hartz-IV-Empfängern oder die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.
Für uns ist eine der entscheidenden Folgerungen aus dem Karlsruher Urteil: Vollzeitarbeit muss existenzsichernd sein. Über drei Millionen Menschen in Deutschland gehen mit weniger als sieben Euro in der Stunde nach Hause; dies gilt sowohl für Normalarbeits- als auch für Zeitarbeitsverhältnisse. Der eigentliche Skandal ist doch, dass viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer trotz Vollzeitarbeit ihren Lohn mit staatlicher Hilfe, finanziert vom Steuerzahler, aufstocken müssen.
Wir (junge) Sozialdemokraten fordern einen gesetzlichen Mindestlohn, wie es ihn bereits in über 20 Ländern der Europäischen Union gibt.
Marc Ruland,
für die Jusos Mayen-Koblenz